Oft glauben wir, wir müssten etwas tun, handeln, anpacken, um eine Situation zu verändern. Stillstand fühlt sich wie Gefahr an, und Aktivität scheint die einzige Lösung. Doch manchmal ist es genau andersherum: Das Richtige geschieht nicht durch unser Tun, sondern gerade durch unser Lassen.
Stell dir vor, du fliegst über den Atlantik. Du sitzt im Flugzeug, schaust vielleicht aus dem Fenster, liest ein Buch oder döst. Und währenddessen bewegt sich die Maschine unaufhaltsam vorwärts. Kilometer um Kilometer kommst du deinem Ziel näher – ohne dass du selbst etwas dafür tun musst.
So ist es auch im Leben: Es gibt Zeiten, da braucht es kein Eingreifen, kein Schieben, kein Kämpfen. Da ist es besser, in die Ruhe zu gehen, abzuwarten, loszulassen und Vertrauen zu haben, dass das Leben uns weiterträgt.
Das heißt nicht, dass wir zu Passivität oder Gleichgültigkeit aufgerufen sind. Es bedeutet vielmehr, dass es im Leben unterschiedliche Zeitqualitäten gibt. Momente, in denen unser Handeln eine große Wirkung entfaltet. Und andere Momente, in denen das Größte darin besteht, still zu werden und zuzulassen, dass etwas in uns heranreift.
Man könnte es die archetypische weibliche Qualität nennen: das Empfangen, das Schwangergehen mit einer Idee, das Wachsenlassen im Inneren, bis der Zeitpunkt gekommen ist, es nach außen zu tragen. So wie in einer Schwangerschaft nicht das Wollen der Mutter das Kind wachsen lässt, sondern eine innere, stille Kraft, die ihren eigenen Rhythmus hat.
Diese Wechselwirkung von Tun und Nichttun begleitet die Menschheit seit jeher. Sie ist eine Polarität, eine Spannung zwischen zwei Kräften, die sich gegenseitig ergänzen. Nach dem hermetischen Gesetz gilt es, in die Balance zu streben. Weder das rastlose Tun noch das endlose Warten allein führen zum Ziel. Erst das Gleichgewicht zwischen beiden Polen entfaltet die volle Kraft des Lebens.
Das Leben zeigt uns: Beides gehört zusammen. Das Tun und das Nichttun. Der Impuls nach außen und das Reifen im Inneren. Wer diese beiden Qualitäten achten lernt, wer spürt, wann es Zeit ist zu handeln und wann es Zeit ist loszulassen, der lebt im Einklang mit dem Rhythmus der Dinge – und schöpft die maximale Kraft aus dem Moment.