In den letzten Jahren durfte – oder besser gesagt musste – ich zwei Häuser räumen. Häuser, die voller Leben waren. Voller Gegenstände, voller Erinnerungen, voller Spuren gelebter Biografien. Sie gehörten meiner Großmutter und meinen Eltern. Ihre Lebenslinien haben sich in Wänden, Möbeln, Schubladen, Fotos und kleinen Notizen eingeschrieben. Und plötzlich war ich derjenige, der entscheiden musste: Was bleibt? Was darf gehen?
Eine Generation des Mangels – eine Generation des Überflusses
Ich gehöre zu den Glücklichen, der seine Großeltern intensiv kennenlernen durften. Ein Geschenk – in einer Generation, die stark von Verlust und Krieg geprägt war. Ich kenne ihre Erzählungen, ihre Verwundungen, aber auch ihre Tapferkeit und ihren Zusammenhalt. Ich weiß um den Schmerz, den sie getragen haben – um Brüder, Onkel, Häuser, Besitztümer, die im Bombenhagel verloren gingen. Ulm, am 17. Dezember 1944 – alles ausgelöscht. Heilbronn: zerstört. Mein Uropa: Haus verloren. Ein ganzes Leben, aufgelöst in Trümmer.
Und dennoch – oder gerade deshalb – entstand daraus ein neues Fundament. Eines, auf dem wir heute stehen.
Wie oft vergessen wir das in unserer Fülle?
Denn wir leben in einer Gegenwart, in der es scheinbar an nichts fehlt – und trotzdem fehlt uns manchmal der Sinn. Wir besitzen so viel, dass wir oft nicht mehr wissen, was wir eigentlich besitzen. Die Keller sind voll, die Speicher überquellen – und unsere Seele sehnt sich nach Klarheit.
Die emotionale Dimension des Loslassens
Ein Haus zu räumen bedeutet nicht nur, Dinge zu sortieren. Es bedeutet, sich emotional zu entflechten. Jeder Gegenstand ist verbunden mit einem Bild, einer Geschichte, einem Gefühl. Das Porzellan erinnert an Geburtstage. Der Anzug an die Beerdigung. Die Handschrift auf alten Briefen bringt die Stimme des Großvaters zurück.
Und plötzlich sitzt man da, stundenlang, mit einem alten Schal in der Hand – und weint.
Nicht, weil es nur um diesen Gegenstand geht. Sondern weil das Leben, das darin steckt, zu spüren ist.
Was bleibt? – Eine Frage mit Tiefe
Diese Frage geht tiefer als jeder Umzug.
Sie stellt sich jedem Menschen – ob nach einem Todesfall, in einer Lebenskrise oder beim Innehalten in der Lebensmitte:
- Was darf ich loslassen?
- Was möchte ich bewahren?
- Was ist wirklich mein Erbe – jenseits von Dingen?
Und in dieser Auseinandersetzung liegt eine Kraft. Eine Form der Ehrfurcht. Denn all das, was war – all das, was Generationen vor uns aufgebaut, erhalten, weitergegeben haben – hat uns getragen, geprägt, möglich gemacht, dass wir heute hier stehen.
Auf dem Fundament der anderen.
Und dieser Gedanke ist nicht sentimental, sondern existenziell. Denn es erinnert uns an unsere Verantwortung:
Nicht alles zu bewahren – aber das Wesentliche in Dankbarkeit zu erkennen.
Vergänglichkeit und Sinn
Wir sind nicht lange hier. Kein Mensch, keine Generation. Unser Dasein ist ein Flügelschlag in der Geschichte.
Und doch: Wir gestalten, wir schaffen, wir bewirken.
Deshalb ist die Ernsthaftigkeit, mit der wir Dinge ordnen, verabschieden, würdigen – keine Nebensache. Sondern ein Akt des Respekts gegenüber dem Leben.
Loslassen heißt nicht vergessen.
Es heißt: die Essenz würdigen und frei werden für das Jetzt.
Coaching-Impuls: Dein persönliches Inventar
In unserer Coachingarbeit bei Xeller Training fragen wir:
- Welche Dinge in deinem Leben dürfen gehen?
- Welche möchtest du aus Respekt und Liebe bewahren?
- Wo trägst du Ballast – materiell oder seelisch?
- Wo bist du noch mit der Vergangenheit verstrickt?
- Und wie kannst du diesen Übergang würdevoll gestalten?
Denn: Das, was wir loslassen, macht Platz für das, was kommen darf.
Und das, was wir ehren, stärkt unsere Wurzeln.
Abschließend:
Ich schreibe diesen Text in Dankbarkeit. Für meine Großeltern. Für meine Eltern. Für das, was sie getragen, aufgebaut, verloren und weitergegeben haben. Und für die Möglichkeit, in Würde aufzuräumen – im Außen wie im Innen.
Hast du selbst schon ähnliche Erfahrungen gemacht?
Ich freue mich, wenn du sie mit mir teilst – und lade dich ein, diesen Weg mit uns gemeinsam weiterzugehen.
Herzlich,
Gerd Xeller
📩 Kontakt & Coaching-Anfragen: www.xeller-training.de
📅 Impulstag „Loslassen & Bewahren“ – demnächst am Vogelhof
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